Köln in diesen Zeiten nicht durch die „Corona-Brille“ zu sehen, ist schwierig. Die Stadt ist in unserer Wahrnehmung permanent erweitert durch die Frage: Wie wahrscheinlich ist es, dass ich mich
anstecke? Der Fahrt mit der U-Bahn ist die Fahrt mit der U-Bahn und potenzielle Ansteckungsquelle, die Schlange vor dem Bäcker ist die Schlange vor dem Bäcker
und potenzielle Ansteckungsquelle. Statistiken und Zahlen können uns trotz ihrer Objektivität in diesen Situationen nur abstrakt weiterhelfen, am Ende ist entscheidend, von
welcher subjektiven Wahrscheinlichkeit wir ausgehen. Was wahrscheinlich ist, scheint wahr zu sein oder werden zu können, ist es aber aktuell nicht. Diese Kluft
vom Schein zum Sein können wir letzten Endes alle nur aushalten. Potenziell ansteckend bedeutet, dass die Ansteckungswahrscheinlichkeit Potenz hat - selbst wenn sie nicht wahr wird - und Potenz
heißt im Wortsinne Kraft und Macht.
Wahrscheinlich ist es, dass „nach Corona“ die Schlange vor dem Bäcker einfach wieder nur nervig sein wird. Vermutlich werden wir damit besser leben können als jetzt, wenn Genervt-Sein anstelle
von Ansteckungsangst Kraft und Macht über uns gewonnen haben. Bleibt die Einsicht, dass unsere Wahrnehmung ständig durch viele Filter hindurch zu dem wird, was wir als wahr (an-)nehmen. Nehmen
wir die Herausforderung auch in „Corona-Zeiten“ an.
© Dirk Büsken
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